Ein Arbeitszeugnis ist mehr als eine Pflicht des Arbeitgebers – es ist ein wichtiger Baustein für die berufliche Zukunft. Dieser Beitrag erklärt, welche Zeugnisarten es gibt, welche Inhalte vorgeschrieben sind und wie Arbeitnehmer unfaire Formulierungen erkennen. Betriebsräte und Gewerkschaften erfahren, wie sie Betroffene unterstützen können. Mit Tipps, um Korrekturen durchzusetzen und Chancen im Bewerbungsprozess zu verbessern.
Inhaltsverzeichnis
1. Was ist ein Zeugnis im Arbeitsrecht?
Ein Zeugnis ist die schriftliche Bestätigung des Arbeitgebers über Dauer, Art und – je nach Art des Zeugnisses – Qualität der Beschäftigung. Rechtsgrundlage ist § 109 Gewerbeordnung (GewO). Danach hat jeder Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein Zeugnis.
Das Zeugnis muss klar und verständlich, wahrheitsgemäß und wohlwollend formuliert sein, sodass es das berufliche Fortkommen nicht unnötig erschwert. Auch während eines laufenden Arbeitsverhältnisses kann ein Zeugnis ausgestellt werden – dann spricht man von einem Zwischenzeugnis.
2. Arten von Zeugnissen
Im Arbeitsrecht wird zwischen mehreren Zeugnisarten unterschieden, die sich im Informationsgehalt unterscheiden.
a) Einfaches Zeugnis
Enthält nur Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit, ohne Bewertung von Leistung oder Verhalten. Es eignet sich vor allem für kurzfristige Beschäftigungen oder wenn eine Leistungsbewertung nicht gewünscht ist.
b) Qualifiziertes Zeugnis
Enthält zusätzlich eine Beurteilung der Arbeitsleistung und des Sozialverhaltens. Es ist die gängigste Form und für Bewerbungen meist unerlässlich.
c) Zwischenzeugnis
Kann jederzeit verlangt werden, wenn ein berechtigtes Interesse vorliegt – z. B. bei Vorgesetztenwechsel, Abteilungswechsel, längerer Abwesenheit oder Bewerbung aus einem ungekündigten Arbeitsverhältnis heraus.
3. Pflichtinhalte eines Zeugnisses
Jedes Arbeitszeugnis muss bestimmte Mindestangaben enthalten, um vollständig zu sein.
a) Formale Anforderungen
- Schriftform auf Geschäftspapier des Arbeitgebers
- Datum und eigenhändige Unterschrift einer ranghöheren Person
- Keine Rechtschreibfehler, sauberes Schriftbild
b) Inhaltliche Pflichtangaben
- Vollständiger Name des Arbeitnehmers
- Dauer des Arbeitsverhältnisses (Beginn und Ende)
- Genaue Tätigkeitsbeschreibung
c) Bei qualifiziertem Zeugnis zusätzlich
- Bewertung der Arbeitsbereitschaft, Arbeitsweise und Fachkenntnisse
- Beurteilung des Sozialverhaltens gegenüber Kollegen, Vorgesetzten und Kunden
- Gesamtbeurteilung, meist in Form einer Schlussformel
4. Die „Geheimsprache“ im Zeugnis
Obwohl das Zeugnis wohlwollend formuliert sein muss, haben sich bestimmte Formulierungen etabliert, die Personalverantwortliche als Schulnoten lesen.
a) Beispiele für gebräuchliche Codes
- „stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“ = sehr gut
- „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ = gut
- „zu unserer vollen Zufriedenheit“ = befriedigend
- „zu unserer Zufriedenheit“ = ausreichend
b) Wirkung von Auslassungen
Fehlt etwa das Wort „stets“, kann das als Abwertung interpretiert werden. Auch das Weglassen bestimmter Sozialverhaltensbewertungen kann als stiller Hinweis auf Probleme verstanden werden.
c) Reihenfolge und Gewichtung
Wird das Sozialverhalten vor der Leistungsbeurteilung genannt, kann das auf eine unterdurchschnittliche Leistung hinweisen.
5. Rechte der Arbeitnehmer
Jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf ein korrektes und wohlwollendes Zeugnis.
a) Anspruch auf Berichtigung
Fehlerhafte oder missverständlich negative Formulierungen können berichtigt werden. Arbeitnehmer müssen dazu darlegen, warum die Formulierung unrichtig ist.
b) Fristen beachten
Ansprüche können durch tarifliche oder arbeitsvertragliche Ausschlussfristen stark verkürzt sein – oft auf wenige Monate nach Erhalt des Zeugnisses.
c) Zwischenzeugnis als Absicherung
Ein Zwischenzeugnis kann helfen, spätere Beurteilungen abzusichern, insbesondere wenn ein Vorgesetztenwechsel bevorsteht.
6. Rolle von Betriebsräten und Gewerkschaften
Betriebsräte können Arbeitnehmer bei der Durchsicht und Interpretation des Zeugnisses unterstützen. Gewerkschaften bieten oft Rechtsberatung und vertreten Mitglieder bei Korrekturforderungen.
a) Sensibilisierung für Zeugniscodes
Betriebsräte können Informationsveranstaltungen anbieten, um Mitarbeiter über die Bedeutung bestimmter Formulierungen aufzuklären.
b) Unterstützung bei Konflikten
Kommt es zu Streit über Formulierungen, können Betriebsrat oder Gewerkschaft moderierend tätig werden und auf eine einvernehmliche Lösung hinwirken.
7. Praxis-Tipps für ein faires Zeugnis
- Zeugniswunsch rechtzeitig anmelden und präzisieren, ob ein qualifiziertes Zeugnis gewünscht wird.
- Zeugnis sofort prüfen – insbesondere auf Rechtschreibfehler, Vollständigkeit und versteckte Codes.
- Bei Unstimmigkeiten schriftlich um Korrektur bitten und auf Fristen achten.
- Bei Uneinigkeit fachkundige Unterstützung durch einen Anwalt für Arbeitsrecht oder die Gewerkschaft einholen.
8. Fazit und Handlungsempfehlung
Ein Zeugnis kann für die weitere Karriere entscheidend sein. Arbeitnehmer sollten ihren Anspruch auf ein vollständiges, wahrheitsgemäßes und wohlwollendes Zeugnis aktiv wahrnehmen. Bei unklaren oder nachteiligen Formulierungen ist schnelles Handeln gefragt, um Fristen nicht zu versäumen. Für eine rechtssichere und faire Lösung ist die Unterstützung eines Anwalts für Arbeitsrecht oft der beste Weg.
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