Inhaltsverzeichnis
Sachverhalt:
Der Kläger war seit 2017 als Schlosser bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Auf seinem öffentlich zugänglichen privaten Facebook-Account war unter „Lebensereignis“ seit 2017 angegeben: „Hat angefangen, bei der Z. AG zu arbeiten“. Die Beklagte war früher eine Geschäftseinheit der Z. AG, wurde aber 2020 ausgegliedert. Die Z. AG war im Herbst 2023 noch an der Kommanditistin der Beklagten beteiligt. Am 31.10.2023 postete der Kläger auf Facebook:
- Die Frage: „Weiß jemand, wann und wo die nächste Demo gegen Juden in NRW ist? Wir Zeit, das Rheinhausen bebt.“
- Ein Video der Stürmung eines Flugzeugs aus Tel Aviv in Dagestan mit dem Kommentar: „Das sind Männer. Die protestieren, dass keine israelischen Flugzeuge mehr kommen sollen Flughafen ist für Flüge geschlossen, so muss es sein. Das Land heißt Dagestan. Ehrenmänner.“
Diese Posts wurden der Z. AG gemeldet, die sie an die Beklagte weiterleitete, da vermutet wurde, dass der Kläger dort beschäftigt sei. Nach interner Klärung und einem Gespräch mit dem Kläger, in dem er die Posts bestätigte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich. Sie begründete dies mit einem Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme, da die antisemitischen Posts in Verbindung mit der Angabe der Z. AG als Arbeitgeber auf dem Facebook-Profil die Beklagte in Gefahr eines erheblichen Imageschadens brächten.
Entscheidung (LAG Düsseldorf, Urteil vom 08.10.2024 – 3 SLa 313/24)
Das LAG Düsseldorf wies die Berufung der Beklagten zurück und bestätigte damit das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen, welches die Kündigung für unwirksam erklärt hatte.
- Wichtiger Grund an sich für eine außerordentliche Kündigung: Das LAG Düsseldorf sah „an sich“ eine zur außerordentlichen Kündigung berechtigende Verletzung der Rücksichtnahmepflicht des Klägers in den beiden Facebook-Posts.
- Die Äußerungen, insbesondere die Billigung der Gewalt im Dagestan-Video durch die Bezeichnung der Täter als „Ehrenmänner“, sind menschenverachtend und antisemitisch. Die Annahme einer strafbaren Billigung von Straftaten (§ 140 Nr. 2 StGB) sei gut vertretbar, ebenso eine Aufstachelung zum Hass gegen die nationale Gruppe der Israelis (§ 130 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 StGB).
- Durch die Angabe der Z. AG als Arbeitgeber auf seinem Facebook-Account hat der Kläger einen Bezug zu seinem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten hergestellt. Da die Beklagte unter derselben Marke „Z.“ wie die ehemalige Muttergesellschaft auftritt, wird durch eine Rufschädigung der Marke auch die Beklagte beeinträchtigt.
- Die Anfragen bei der Z. AG aufgrund der Facebook-Posts des Klägers belegen die konkrete Gefahr einer Medienberichterstattung und damit einer Rufschädigung der Marke „Z.“ und somit auch der Beklagten.
- Indem der Kläger den veralteten Arbeitgeberbezug auf seinem Profil nicht gelöscht hat, hat er seine Rücksichtnahmepflicht gegenüber der Beklagten schwerwiegend verletzt (§ 241 Abs. 2 BGB).
- Interessenabwägung (zweite Stufe): Die Wirksamkeit der Kündigung scheiterte jedoch an der fehlenden vorherigen Abmahnung.
- Die Pflichtverletzung des Klägers lag primär in der Verletzung der Rücksichtnahmepflicht durch die Herstellung des Bezugs zum Arbeitgeber, nicht in den Äußerungen als solchen im privaten Bereich.
- Das Unterlassen der Löschung des veralteten Arbeitgeberbezugs auf Facebook war steuerbares Verhalten des Klägers.
- Bei steuerbarem Verhalten ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Abmahnung geeignet ist, zukünftiges Fehlverhalten zu verhindern. Es gab keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger nach einem Hinweis und einer Warnung erneut in ähnlicher Weise verstoßen würde. Die zwischenzeitliche Löschung des Accounts bestätige dies.
- Die in den Business Conduct Guidelines (BCG) enthaltenen allgemeinen Hinweise auf mögliche arbeitsrechtliche Konsequenzen reichten nicht als konkrete Abmahnung aus, da ihnen die erforderliche konkrete Warnfunktion fehlte.
- Die Pflichtverletzung war nicht so schwerwiegend, dass eine Abmahnung entbehrlich gewesen wäre. Während die Äußerungen an sich schwer wiegen, war die Herstellung des Arbeitgeberbezugs eher auf Sorgfaltswidrigkeit und nicht auf Vorsatz zur Schädigung des Arbeitgebers zurückzuführen. Es fehlten Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger sich der Verknüpfung seiner Äußerungen mit seinem Arbeitgeber und den möglichen Folgen bewusst gewesen wäre. Bis zum Zeitpunkt der Kündigung waren keine konkreten Schäden für die Beklagte oder die Z. AG eingetreten.
- Ordentliche Kündigung: Die hilfsweise ordentliche Kündigung war aus den gleichen Gründen sozial ungerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG).
- Weiterbeschäftigungsanspruch: Aufgrund der Unwirksamkeit der Kündigungen hat der Kläger einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung.
- Revision: Die Revision wurde nicht zugelassen, da es sich um eine Einzelfallentscheidung auf Basis der anerkannten Rechtsprechung handelte und keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung oder Divergenz vorlag.
Zusammenfassend hat das LAG Düsseldorf entschieden, dass die Facebook-Posts des Klägers zwar eine schwerwiegende Verletzung der Rücksichtnahmepflicht darstellen können, insbesondere wenn ein Bezug zum Arbeitgeber hergestellt wird. Im vorliegenden Fall war die fristlose (und auch die ordentliche) Kündigung jedoch unverhältnismäßig, da der Arbeitnehmer für die konkrete Pflichtverletzung (Unterlassen der Aktualisierung seiner Arbeitgeberangabe auf Facebook) nicht abgemahnt wurde und diese Pflichtverletzung nicht so schwerwiegend war, dass eine Abmahnung offensichtlich entbehrlich gewesen wäre.
Bitte beachten Sie: Unsere Beiträge dienen ausschließlich Informationszwecken. Sie stellen in keinem Fall eine Rechtsberatung dar, die insbesondere auf der Grundlage Ihres individuellen Sachverhalts ersetzt werden kann. Außerdem kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Wenn Sie eine rechtssichere und individuelle Rechtsberatung wünschen, wenden Sie sich bitte an uns.
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