Leidensgerechter Arbeitsplatz

Ein leidensgerechter Arbeitsplatz schützt Arbeitnehmer mit gesundheitlichen Einschränkungen und hilft, den Job trotz Krankheit zu behalten. Er bedeutet nicht weniger Leistung, sondern passende Arbeitsbedingungen, um weiter arbeiten zu können. Dieser Beitrag erklärt, was „leidensgerecht“ im Arbeitsrecht heißt, welche Rechte Arbeitnehmer haben und welche Pflichten Arbeitgeber treffen. Außerdem erfahren Betriebsräte und Gewerkschaften, wie sie Betroffene unterstützen und Ansprüche durchsetzen können.

1. Was bedeutet „leidensgerechter Arbeitsplatz“?

Ein leidensgerechter Arbeitsplatz ist ein Arbeitsplatz, der so gestaltet ist, dass er den gesundheitlichen Einschränkungen eines Arbeitnehmers Rechnung trägt. Ziel ist, die Leistungsfähigkeit zu erhalten und die Erwerbstätigkeit trotz Krankheit oder Behinderung fortzusetzen. Die Pflicht zur leidensgerechten Gestaltung ergibt sich aus verschiedenen arbeitsrechtlichen Vorschriften – insbesondere aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (§ 241 Abs. 2 BGB) und den Vorgaben des SGB IX für schwerbehinderte und gleichgestellte Menschen.
Das kann sowohl technische Anpassungen als auch organisatorische Änderungen umfassen, zum Beispiel ergonomische Arbeitsmittel, veränderte Arbeitszeiten oder andere Tätigkeitsbereiche. Für Betriebsräte und Gewerkschaften ist es wichtig zu wissen, dass diese Pflicht nicht nur für schwerbehinderte Arbeitnehmer gilt, sondern grundsätzlich für alle Beschäftigten, wenn gesundheitliche Gründe vorliegen.

2. Rechtliche Grundlagen

Die Pflicht zum leidensgerechten Arbeitsplatz ist nicht in einem einzigen Gesetz gebündelt, sondern ergibt sich aus mehreren Rechtsquellen.

a) Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

§ 241 Abs. 2 BGB verpflichtet Arbeitgeber, auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der Arbeitnehmer Rücksicht zu nehmen. Darunter fällt auch die Gesundheit. Wenn bekannt ist, dass bestimmte Arbeitsbedingungen die Gesundheit gefährden oder verschlechtern, muss der Arbeitgeber tätig werden.

b) Sozialgesetzbuch IX (SGB IX)

Für schwerbehinderte oder gleichgestellte Arbeitnehmer enthält § 164 Abs. 4 SGB IX eine ausdrückliche Verpflichtung, den Arbeitsplatz behinderungsgerecht zu gestalten. Dies schließt auch leidensgerechte Anpassungen ein.

c) Arbeitsschutzgesetze

Nach dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) muss der Arbeitgeber Gefährdungen am Arbeitsplatz ermitteln und Maßnahmen ergreifen, um diese zu vermeiden oder zu reduzieren. Das gilt auch für individuelle gesundheitliche Belastungen.

3. Wann besteht Anspruch auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz?

Ein Anspruch besteht, wenn gesundheitliche Einschränkungen die bisherige Tätigkeit erschweren oder unmöglich machen, die Person aber weiterhin arbeitsfähig ist, wenn bestimmte Anpassungen erfolgen.

a) Medizinische Grundlage

Die gesundheitliche Einschränkung muss ärztlich bestätigt sein. Dies kann durch ein Attest des Hausarztes, einen Facharztbericht oder ein arbeitsmedizinisches Gutachten erfolgen.

b) Zumutbarkeit für den Arbeitgeber

Der Arbeitgeber muss die Anpassungen umsetzen, soweit sie zumutbar sind. Unzumutbar wäre es beispielsweise, wenn die Umgestaltung unverhältnismäßig teuer ist oder den Betrieb erheblich beeinträchtigt.

c) Beteiligung des Betriebsrats

Bei Maßnahmen zur Umgestaltung des Arbeitsplatzes ist der Betriebsrat mitbestimmungsberechtigt, wenn es um Arbeitszeit, Arbeitsorganisation oder technische Einrichtungen geht.

4. Beispiele für leidensgerechte Anpassungen

Leidensgerechte Anpassungen können sehr unterschiedlich aussehen und hängen vom Einzelfall ab.

a) Technische Anpassungen

Hierzu gehören höhenverstellbare Schreibtische, spezielle Stühle, Bildschirmarbeitsplatzhilfen, Lärmschutzmaßnahmen oder Hebehilfen in der Produktion.

b) Organisatorische Änderungen

Das können geänderte Arbeitszeiten, Schichtplangestaltungen oder eine Umverteilung von Aufgaben sein, um körperlich belastende Tätigkeiten zu reduzieren.

c) Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz

Wenn die Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes nicht möglich ist, kann eine Versetzung auf eine andere, leidensgerechte Stelle erforderlich sein – sofern vorhanden.

5. Pflichten des Arbeitgebers

Arbeitgeber müssen nicht nur reagieren, wenn Arbeitnehmer aktiv eine Anpassung verlangen, sondern auch von sich aus tätig werden, wenn sie von gesundheitlichen Problemen erfahren.

a) Präventionspflicht

Nach § 167 Abs. 1 SGB IX muss der Arbeitgeber mit der Schwerbehindertenvertretung und dem Betriebsrat klären, wie die Beschäftigung gesichert werden kann.

b) Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)

Nach § 167 Abs. 2 SGB IX ist das BEM ein wichtiges Instrument, um Lösungen für einen leidensgerechten Arbeitsplatz zu finden. Es kann für alle Beschäftigten durchgeführt werden, nicht nur für Schwerbehinderte.

6. Rechte von Arbeitnehmern, Betriebsräten und Gewerkschaften

Arbeitnehmer haben das Recht, leidensgerechte Anpassungen zu verlangen, wenn gesundheitliche Gründe vorliegen. Betriebsräte können diese Ansprüche unterstützen und die Umsetzung begleiten. Gewerkschaften bieten häufig Beratung und juristische Unterstützung an.

a) Mitbestimmung

Der Betriebsrat hat Mitbestimmungsrechte bei der Gestaltung von Arbeitsplätzen, Arbeitszeit und technischen Einrichtungen (§ 87 BetrVG).

b) Unterstützung durch die Schwerbehindertenvertretung

Die SBV hat ein besonderes Augenmerk auf leidensgerechte Arbeitsplätze und kann Änderungen aktiv anstoßen.

c) Rechtliche Durchsetzung

Weigert sich der Arbeitgeber, können Arbeitnehmer ihre Ansprüche mit Unterstützung eines Anwalts für Arbeitsrecht durchsetzen.

7. Fazit und Handlungsempfehlung

Ein leidensgerechter Arbeitsplatz ist ein zentrales Instrument, um die Erwerbstätigkeit trotz gesundheitlicher Einschränkungen zu sichern. Arbeitgeber haben eine gesetzliche Pflicht, diesen im Rahmen des Zumutbaren zu gestalten. Arbeitnehmer sollten ihre Rechte kennen, frühzeitig mit Arzt, Betriebsrat und ggf. Schwerbehindertenvertretung sprechen und ihre Bedürfnisse klar darlegen. Bei Konflikten oder Unsicherheiten empfiehlt es sich, rechtzeitig einen Anwalt für Arbeitsrecht einzuschalten, um die Ansprüche effektiv zu sichern.

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